Der 24. Jahresempfang der Wirtschaft lockte in diesem Jahr so viele Teilnehmer wie noch nie in die Rheingoldhalle: alle Plätze waren belegt, Gäste mussten zum Teil stehen oder auf den Stufen Platz nehmen, denn der Hauptredner war der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Gastgeber des Jahresempfangs sind 15 rheinland-pfälzische Kammern, darunter auch die Landeszahnärztekammer (LZK).
Die Begrüßungsrede hielt Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, der auf ein aktuelles Zitat von Merz einging. Dessen Spott über Olaf Scholz als „Klempner der Macht“ hatte das Handwerk irritiert, denn „ein Klempner löst Probleme“, so Friese, „hält Absprachen ein und liefert pünktlich“. Davon könne sich die Politik eine Scheibe abschneiden. „Mehr Klempner an die Macht“, forderte er augenzwinkernd und prangerte vor allem die Bürokratielast an. „Unser Land braucht eine Kehrtwende.“ Die Aufgaben seien gewaltig, die Politik müsse vom Reden ins Tun kommen. „Die nächste Regierung darf keine zerstrittene Koalition sein“, forderte Friese.
Wohlwollendes Umfeld
Damit lieferte er viele Steilvorlagen für Merz, der vier Wochen vor der Bundestagswahl ein wohlwollendes, häufig applaudierendes Publikum vorfand und eine Art Wahlkampf-Heimspiel erlebte. Zunächst richtete er seinen Blick in die USA, da zwei Tage zuvor Donald Trump als Präsident sein Amt angetreten hatte. Merz forderte, als Europäer Trump selbstbewusst gegenüberzutreten. „Wenn wir in Europa zusammenhalten, wird uns Trump ernst nehmen.“ Darüber hinaus müsse man nationale und regionale Interessen auch in Deutschland bzw. Europa stärker verfolgen. „We will make Europe great again“, versprach der CDU-Fraktionsvorsitzende.
Bürokratie: Nicht Abbau sondern Rückbau!
Anschließend ging Merz auf die politischen Forderungen ein, die die Kammern gemeinsam im Vorfeld formuliert und an ihn gerichtet hatten. Ausführlich sprach er über Bürokratielast. „Nicht Bürokratieabbau sondern Rückbau ist hier das richtige Wort“, so Merz. Nicht nur die deutschen, vor allem die vielen Vorgaben aus Brüssel seien Hemmnisse für die Wirtschaft, etwa die EU-Lieferkettenrichtlinie. „Wir müssen die EU auf den Kern zurückführen, wenn wir sie erhalten wollen“, betonte Merz. Der aktuellen Kultur des Misstrauens wolle man eine Kultur des Vertrauens der Politik entgegensetzen.
Eine Abrechnung mit der Ampel-Koalition fehlte nicht. Deutschland erlebe den Anfang eines dritten Rezessions-Jahres, die Produktivität nehme rapide ab. Währen in der Industrie Jobs verloren gingen, gebe es im öffentlichen Dienst einen enormen Zuwachs. „Das ist die falsche Reihenfolge“, betonte Merz. „Dieses Land muss Industrieland bleiben!“
Steuersenkungen hart erarbeiten
Die geforderten Steuersenkungen „werden wir uns in Deutschland hart erarbeiten müssen“, mahnte Merz. Schnellen Lösungen erteilte er eine Absage. Bis 2029 könnten die Senkung der Steuerbelastung von heute 35 auf 25 Prozent realistisch sein. „Dazu brauchen wir eine verlässliche Gesetzgebung und eine Regierung, die nicht ständig streitet“, betonte er.
Auch die Energiepolitik der letzten Jahre kritisierte Merz scharf. Er bekenne sich zwar zum Ausbau der regenerativen Energie, forderte aber „keinen Wildwuchs der Windkraft“ zu betreiben und mit Augenmaß vorzugehen. Mit Wasser und Wind allein könne man keine grundlastfähige Stromerzeugung betreiben. „Leider ist eine grundlastfähige Stromerzeugung nur durch den Bau neuer Gaskraftwerke realistisch möglich“, so Merz. „Wir sind genug ausgestiegen, wir müssen wieder einsteigen.“
Produktiver arbeiten
Weiter sprach der Sauerländer über Bildung und Arbeitsmarkt und sprach sich dafür aus, wieder mehr von Arbeitnehmern zu fordern – nicht nur zu fördern. Statt Work-Life-Balance und Vier-Tage-Woche forderte er mehr Produktivität und Engagement, zum Beispiel durch ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für junge Menschen. Auch eine höhere Vollzeitquote für die Volkswirtschaft sei notwendig.
Beim Thema Zuwanderung müssten die Verfahren für Asylbewerber stark beschleunigt werden. Auch aus diesem Grund benötige man „einen Quantensprung in der Digitalisierung“, damit diejenigen Fachkräfte schneller ins Land kommen könnten, die gebraucht werden. Es brauche ein eigenes Ministerium für Digitalisierung.
Im anschließenden Interview mit der Moderation betonte Merz, dass Anstrengung, Engagement und harte Arbeit bevorstünden, um die Volkswirtschaft zu retten, etwa Änderungen beim Bürgergeld. „Es werden 50 Milliarden für Bürgergeld ausgegeben, ein Drittel der Empfänger sind arbeitsfähig“, so Merz. „Die Volkswirtschaft hat großes Potenzial zu wachsen. Wir müssen prüfen, wo wir zu viel Geld ausgeben.“ Man müsse den Wasserkopf an Beschäftigten im öffentlichen Dienst anpacken, effizienter werden. Sein Fazit: „Wir stehen nicht vor kleinen Korrekturen, sondern vor großen Entscheidungen!“
Talk mit dem Ministerpräsidenten
In der Podiumsrunde richteten Dr. Marcus Walden, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Ökonomierat Michael Horper, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz und Dr. Rainer Schneichel, Präsident der Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz politische Forderungen an Ministerpräsident Alexander Schweitzer. Auch hier ging es viel um den Bürokratieabbau – Schweitzer betonte, dass 57 Maßnahmen zur Entbürokratisierung umgesetzt werden sollten. Er erläuterte ein Beispiel aus der Logistik, die für das Flächenland Rheinland-Pfalz ein wichtiger Faktor sei. Die Vorgehensweise dazu und auch zu den anderen Maßnahmen sei nicht am Schreibtisch der Politiker konzipiert worden, sondern gemeinsam mit den Beteiligten. Die Datenschutz-Grundverordnung sei ein ebenso gutes Beispiel für die Hemmnisse, die der Wirtschaft häufig im Wege stünden, so die Talkrunde. Weitere Themen waren die Konsumzurückhaltung der Menschen bei steigenden Preisen.
Die Auszeichnungspflichten, die täglich mehrere Stunden in Anspruch nähmen, kritisierte als Vertreter der Heilberufskammern auf dem Podium der Tierarzt Dr. Schneichel. „Wir müssen von der Überregulierung wegkommen!“
Die Kammerpräsidenten forderten deutlich mehr Tempo und mehr Tiefe bei der Beseitigung bürokratischer Hürden und die Unterstützung der Landespolitik. Einig waren sich Ministerpräsident und Kammervertreter darin, dass man Zuversichtlich sein könne, gemeinsam Lösungen zu finden. Angesichts des bis zum letzten Platz gefüllten Saals sei die Hoffnung groß, denn „die Menschen interessieren sich für die Demokratie!“